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"Das vorliegende Buch ist aus einer 1996 abgeschlossenen Dissertation an der Universität Hannover hervorgegangen und soll die Ergebnisse einer breiteren Leserschaft zugänglich machen. Die menschliche Nachvollziehbarkeit der mit dem Sterben in der Fremde verbundenen Aspekte stehen in diesem Buch im Vord (mehr...)ergrund, so sehr diese auch wissenschaftlich fundiert sein müssen. Daher habe ich neben der deskriptiven Beschreibung nicht auf das Herausarbeiten von verallgemeinerbaren Zusammenhängen verzichtet. Der in meiner Erinnerung Laotse nachgesagte Ausspruch: 'Nah sieht, wer von fern sieht, im Nebel steht, wer Anteil nimmt', umschreibt die Schwierigkeit der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben und Tod. Um dieses dennoch für den Leser 'erfahrbar' zu machen und ihm eine 'Fernsicht' zu ermöglichen, ohne daß er 'im Nebel steht', beginnt das Buch mit einer im Detail beschreibenden 'Kasuistik', der dann eine wissenschaftliche Auseinandersetzung und Aufarbeitung unter den verschiedensten Blickwinkeln folgt. Um die Leserschaft nicht übermäßig mit fachwissenschaftlichen Diskussionen zu konfrontieren, wo sie doch etwas über das Sterben zu erfahren erwartet, habe ich die neuere Kulturdebatte, worin es um die Definitionskriterien von 'Kultur als Diskursgemeinschaft' geht, bewußt herausgehalten. Der vergleichsweise sparsame Quellenbezug und die eingegrenzte Autorenreferenz verfolgen das gleiche Ziel. Auch bin ich sparsam mit Verweisen auf den Islam als 'Schriftreligion' umgegangen. In der Wahrnehmung von Menschen aus Gesellschaften mit islamischer Religion wird der Islam als Schriftkultur nach meinem Dafürhalten überbetont, wahrscheinlich aus Unsicherheit und Unkenntnis dieser Gesellschaften. Menschen suchen nach fixen Punkten, an denen sie bestimmte Beobachtungen, die sie machen, verankern können, und glauben, sie im Koran zu finden; eine statische und reduktionistische Vorstellung von Mensch, Kultur und Gesellschaft, die dem Erklärenden hilft, sich auf sicherem Boden zu wähnen, aber dem zu Erklärenden nicht gerecht wird. In Anatolien, insbesondere in ländlichen Gegenden, vermischen sich Aberglaube, Magie und Religion so sehr, daß der Bezug auf den Koran dem zu Erklärenden kaum gerecht würde. Die Menschen erwerben ihr Wissen über Religion nur selten aus Büchern, schon gar nicht aus den 'Heiligen'. Sie lernen die allgemeinen Regeln und Rituale aus der täglichen Anbetung, von denen sie glauben, daß sie mit der Schriftreligion übereinstimmen. Ich habe daher versucht, die Menschen nicht aus ihrer 'Schriftreligion' heraus, sondern als Menschen in ihrer Ganzheit, wozu auch die subjektive Wahrnehmung von Religion gehört, darzustellen. Sie sollen auch als Individuen mit ihren verschiedenen Facetten noch erkennbar sein und nicht im Menschenbild des 'homo islamicus' aufgehen, zumal das für die Anatolier, die aus einer 'oralen Erzählkultur' stammen, eine zusätzliche Mißachtung ihrer Eigentümlichkeit bedeutet hätte." (Textauszug) (...weniger) |